2020 war für uns alle ein herausforderndes Jahr. Quer durch alle Branchen mussten sich Unternehmen auf Umbrüche und Rückschläge einstellen, die keiner vor zwölf Monaten hätte vorhersehen können.
Aber wie haben sich gewerbliche Fuhrparks im Jahr 2020 geschlagen? Welche Wege haben sie gefunden, um ihre Unternehmen unter diesen Umständen auf der Spur zu halten? Und was sind die größten Potenziale, die sie für ihr Wachstum und ihre Entwicklung im kommenden Jahr sehen?
Um das herauszufinden, haben wir uns an einige unserer Kunden gewandt und sie zu diesem Thema befragt. Ihre Antworten bieten eine eindrucksvolle Momentaufnahme über die Situation kommerzieller Flotten im Rahmen dieser besonderen Zeit. Sie zeigen, wie sich unsere Kunden auf die heutigen Herausforderungen einstellen – realistisch im Hinblick auf die Herausforderungen, die im nächsten Jahr auf sie zukommen, aber auch optimistisch im Hinblick darauf, wie sie weiter wachsen und sich entwickeln können. Und, wie Sie sehen werden, waren sie nicht immer einer Meinung, da einige Herausforderungen sahen, wo andere Chancen erkannten.
WER SIND UNSERE KUNDEN?
Jarosław Jarosz, Vorsitzender des Vorstands, JLG JAROSZ LOGISTICS GROUP (Polen)
Die JLG Jarosz Logistics Group ist ein Transport- und Logistikunternehmen mit über 100 Lkw, das nationale und europäische Kunden bedient.
Peter Röskes, Managing Director, Röskes Logistics GmbH (Deutschland)
Röskes Logistics ist auf den nationalen und internationalen Papier- und Printmedientransport spezialisiert und verfügt über technisch hochmoderne Fahrzeuge, die für den Transport von Rollenpapier und Drucksachen ausgelegt sind. Auch in allen anderen Bereichen der Logistik verfügt das Unternehmen über langjährige Erfahrung.
Maciej Petliński, Flottenspezialist, Main Partners Sp. (Polen) Main Partners ist eine Agentur für Zeitarbeit und Personalberatung in Polen.
Virginie Rouillard, Verwaltungsdirektorin, Val d’Oise Travaux Publics (Frankreich)
Val d’Oise Travaux Publics wurde vor 34 Jahren gegründet. Das in Sain Ouen L’Aumone (95310) ansässige Unternehmen ist auf Flüssigkeiten für den Netzwerkausbau spezialisiert.
Arthur Stefanski, Executive Manager, Firma Brit-Pol (UK und Polen)
Brit-Pol ist ein internationales Transportunternehmen mit Standorten sowohl in Polen als auch in Großbritannien. Seine Flotte von 200 Lkw ist in Polen, Großbritannien und den Benelux-Ländern im Einsatz.
Hier sind ihre Antworten. Und wie könnten wir anders beginnen als mit COVID-19?
WIE HABEN SIE SICH ANGEPASST, UM WÄHREND DER COVID-19-PANDEMIE WEITERARBEITEN ZU KÖNNEN?
Virginie Rouillard: Seit April haben wir Regelungen zur Kontaktbeschränkung auf dem Firmengelände eingeführt, was natürlich die Kommunikation erschwert. Außerdem haben wir mehrere Umfragen zur Befindlichkeit unter unseren Mitarbeitern durchgeführt. Wir wollten herausfinden, wie sie sich fühlen, was ihre Bedürfnisse und ihre Erwartungen sind.
Eine Sache, die unsere Mitarbeiter beruhigt, ist, dass wir ein finanzstarkes Unternehmen sind. Sie wissen, dass sie nicht um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen und dass wir, egal was es kostet, weiterhin unsere Geschäfte betreiben und unsere Kunden zufriedenstellen werden.
Jaroslaw Jarosz: Die plötzliche Schließung und die Einschränkungen an den Grenzen führten zu vielen Problemen: Lahmlegung der Straßen, eingeschränkte Lieferungen und Fahrer, die sich weigerten, ins Ausland zu fahren. Wir hatten Warteschlangen an den Grenzübergängen, die unsere Lieferungen an unsere Geschäftspartner um mehrere Tage verzögerten.
70 % unserer Lieferungen gehen an die Automobilindustrie in Märkten wie Deutschland und Frankreich, wo Just-in-time-Lieferungen Standard sind. Die Branche stand vor dem Kollaps – die Versorgung der Produktionsanlagen war unterbrochen, es fand kein Austausch mit den Lieferanten statt und Rohstoffe konnten nicht transferiert werden.
Es war eine seltsame Situation: Die Nachfrage nach Transportdienstleistungen stieg, aber es herrschte auch große Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit der Auftragnehmer, insbesondere derer mit aufgeschobener Zahlung. Die Annahme von Aufträgen mit Zahlungszielen über 14 Tage war ein hohes Risiko.
Durch die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Geschäftspartnern gelang es uns, diese extrem schwierige Zeit zu überstehen. In den verbleibenden Quartalen des Jahres kehrte die Normalität zurück. Wir erhielten einige lukrative Aufträge, die die Verluste der Vormonate weitgehend kompensierten.
Peter Röskes: Wir haben kurzzeitig ein paar Fahrzeuge abgebaut um die wirtschaftliche „Corona-Delle“ von ca. April bis Juni abzufedern. Bereits im September haben wir dann zusätzliche Leihfahrzeuge wieder reingenommen, damit wir unsere Arbeit geschafft bekommen.
Ab Anfang November haben sich die Transportmengen auf ein eher normales Maß eingependelt. Die Leihfahrzeuge haben wir erstmal bei uns belassen. Diese werden aber bereits im Dezember 2020 wieder durch eigene Einheiten ersetzt.
Marcel Petliński: Als Zeitarbeitsunternehmen beobachten wir die Situation in Polen und in der Welt mit großer Sorge und passen unsere Aktivitäten ständig an die Veränderungen an. Wir sind von allen Arten von Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie betroffen, wie z. B. Quarantäne oder Beschränkungen für den Personentransport.
Die Webfleet-Lösung war ein äußerst wertvolles Hilfsmittel für unsere Transportplanung und die Optimierung der durch die Pandemie entstandenen Kosten. Sie hilft uns, unsere Aktivitäten fortzusetzen und unseren Fuhrpark zu erweitern.
WIE IST DAS JAHR IHRER MEINUNG NACH INSGESAMT VERLAUFEN?
Arthur Stefanski: Brit-Pol entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem der größten Transportunternehmen in der Region Lincolnshire. Dieses Wachstum basierte auf der hohen Qualität unserer Dienstleistungen, die sich in mehr Kundenvertrauen und einem höheren Auftragsvolumen äußerte.
Daher traf der Vorstand in Großbritannien die Entscheidung, ein zweites Unternehmen in Polen zu eröffnen, wodurch die Brit-Pol-Gruppe entstand. Die Vergrößerung eines Fuhrparks um fast 20 % während einer Pandemie ist ein Ergebnis, das nur eine Partnerschaft erreichen kann, die auf individuellem und umfassendem Service aufbaut, und das wir in den kommenden Monaten weiter ausbauen werden.
Peter Röskes: Genau wie die Fahrzeuganzahl ist das Jahr bei uns gelaufen. Vom Tal der Tränen bis zum Jubeln war alles dabei. Insgesamt können wir mit dem wirtschaftlichen Verlauf noch zufrieden sein. Wir haben, wie viele andere auch, ein paar „Schrammen“ beim harten Lockdown Anfang des Jahres abbekommen. Mehr zum Glück aber nicht.
Virginie Rouillard: Das Jahr 2020 ist ein Meilenstein für ein traditionelles öffentliches Bauunternehmen wie unseres. Unsere Mitarbeiter mussten sich an neue Praktiken gewöhnen, wie die Einführung eines elektronischen Dokumentenmanagementsystems, das Arbeiten von zu Hause aus und die Kommunikation mit dem Baustellenpersonal per E-Mail.
Innerhalb weniger Monate wurden wir zu einem 2.0-Unternehmen. Aber dieser sehr wichtige Wendepunkt geschah nicht ohne Angst, den Kontakt zwischen den verschiedenen Teams zu verlieren.
WAS SEHEN SIE ALS DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN IM JAHR 2021?
Maciej Petliński: Die größte Herausforderung könnte die geringe Marktnachfrage nach Zeitarbeitern sein, die durch das Einfrieren der Wirtschaft und Einschränkungen der Mobilität verursacht wird.
Dies gilt sowohl für Polen als auch für die Länder, aus denen die Zeitarbeiter zu uns kommen. Eine mögliche Lösung könnte jedoch eine Kooperation mit ausländischen Unternehmen aus Ländern wie Deutschland, den Niederlanden und Finnland sein.
Peter Röskes: Die größte Herausforderung wird die permanente Verfügbarkeit von qualifiziertem Fahrpersonal in 2021 sein. Hier hilft es uns, dass wir langfristig unser Personal binden und eben nicht eine Hire & Fire Mentalität haben.
Arthur Stefanski: Die bevorstehenden Einschränkungen, die sich aus dem Brexit ergeben, werden eine andauernde Herausforderung sein, während wir versuchen, uns an die Vorschriften anzupassen. Ich glaube, dass unsere Geschäftspartner oder die Kunden selbst, die auf beiden Seiten der Nordsee Geschäfte machen, uns mehr vertrauen werden als einer Gruppe, die auf beiden Seiten dieser kommenden EU-Grenze tätig ist.
Das Wissen und die Erfahrung, die wir im Rahmen einer umfassenden Betreuung des uns anvertrauten Produkts anbieten, ist mehr als nur ein Geschäft. Es ist eine friedliche Zukunft und eine Investitionsmöglichkeit für alle Parteien.
Jaroslaw Jarosz: Eine der größten Herausforderungen wird die Erfüllung des in diesem Jahr vom Europäischen Parlament verabschiedeten Mobilitätspakets sein. Die Folge dieser Änderungen kann ein Rückgang der Transportleistung sein, was einen erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen für international tätige Unternehmen bedeuten wird.
Auf der anderen Seite kann ein positiver Aspekt dieser Änderungen die Ansiedlung von Produktions- oder Logistikinvestitionen in Polen durch ausländische Investoren sein, aufgrund der besseren Verfügbarkeit von Fahrern im Vergleich zu europäischen Ländern, was sich in höheren Raten niederschlagen wird.
WO SEHEN SIE DIE GRÖSSTEN CHANCEN FÜR DAS NÄCHSTE JAHR?
Peter Röskes: Wir haben hier eine interessante Entwicklung schon zum Ende des Jahres 2020 bemerkt: Sicher ist der Transportpreis noch immer wichtig, aber viel wichtiger ist es mittlerweile für viele Verlader, dass man den Transport auch wirklich zu jeder Zeit verlässlich mit eigenem Equipment ausführen kann.
Speditionen mit einem hohen Anteil im Selbsteintritt haben da einen klaren Qualitäts- und Verfügbarkeitsvorteil. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil gegenüber „Sofa“-Speditionen oder auch gegenüber digitalen Start-Up Lösungen, die keine eigenen fest verfügbaren Einheiten haben und sich somit nur am volatilen Transportmarkt bedienen können.
Eine große Chance für uns liegt in dem von der EU aktuell beschlossenen Mobilitätspaket gegen Sozial-Dumping, worin u. a. die Kabotage noch strikter geregelt und auch digitaler kontrolliert werden soll. Mit unserem gültigen Bekenntnis, dass wir die eigenen ziehenden LKW Einheiten nicht aus Deutschland ausflaggen, sind wir bei der zukünftigen Bewältigung von nationalen Transportaufgaben sicher sehr gut, und vor allem legal, aufgestellt.
Jaroslaw Jarosz: Die größte Chance sehen wir in der Erschließung neuer außereuropäischer Märkte und Branchen, die von COVID-19 weniger betroffen waren. Wir expandieren ständig. Wir haben etwa 100 Fahrer und unser Portfolio umfasst etwa 100 Mega-Sets. Wir fügen eine zusätzliche internationale Speditionsabteilung hinzu, um umfassende Lösungen für unsere Kunden aus verschiedenen Branchen zu bieten und ihre höchsten Erwartungen zu erfüllen.
Jeden Tag nutzen wir Technologien wie die Webfleet, die unseren Fahrzeugeinsatz und die Effizienz der gesamten Flotte verbessert. Es hilft auch, Kraftstoff zu sparen und unser Team kostengünstiger fahren zu lassen. Die Anwendung ist von überall auf der Welt verfügbar und sehr intuitiv zu bedienen. Sie ist besonders in unerwarteten Situationen wichtig, wenn wir schnelle und zuverlässige Informationen über den Standort der Fahrzeuge benötigen. Sie verfügt über viele Funktionen, die die Arbeit von Spediteuren und Disponenten im Alltag erleichtern. Eine nützliche Funktion ist die Möglichkeit, Berichte über die Leistung der gesamten Flotte zu erstellen.
Virginie Rouillard: Auch wenn viele junge Menschen diese Art von Jobs nicht wollen, hat der öffentliche Dienst eine große Zukunft. Die Städte wachsen, der Bedarf der Menschen an Abwasser- und Regenwassertransport vervielfacht sich, die Dimensionierung der bestehenden und manchmal veralteten Netze muss überarbeitet werden und die Trinkwassernetze altern. Es wird immer einen Bedarf für unsere Unternehmen geben, bevor neue Stadtteile erschlossen werden. Die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und in öffentlichen Unternehmen sind Menschen, die jeden Tag für das Wohl aller arbeiten.
WAS SIND DIE TRENDS, DIE IHRE BRANCHE IN DEN NÄCHSTEN JAHREN AM MEISTEN BEEINFLUSSEN WERDEN?
Peter Röskes: Die Digitalisierung der Transportabläufe und die dadurch notwendige Vernetzung der jeweiligen Beteiligten in der Transportkette werden rasant zunehmen. Hier wird die Telematik in den Fahrzeugen gepaart mit einer offenen Plattformtechnik eine Schlüsselfunktion übernehmen.
Wir sind heute schon in solche Projekte involviert, die ich vor gar nicht so langer Zeit als so nicht umsetzbar eingestuft hätte. Die Geschwindigkeit mit der hier entwickelt wird ist sehr beeindruckend.
Zukünftige Lkw und die darin verbaute Technik werden das Anforderungsprofil eines Berufskraftfahrers verändern. Unsere Fahrer werden noch mehr zu Piloten werden, die die Technik überwachen und nebenbei auch Spezialisten z. B. im Bereich Ladungssicherung sind.
Eins ist wichtig dabei: Egal welche Antriebsform, ob Diesel, Gas oder Wasserstoff nebst Elektroantrieb und gar mit Hilfe des Teil- und Vollautonomen Fahrens, unsere Fahrer bzw. Piloten werden dabei eine nicht zu ersetzende Rolle einnehmen, nur eben eine andere als heute.
Diese Trends sollten uns also keine Angst machen, sondern neugierig auf die Zukunft.
Maciej Petliński: Ein wichtiger Faktor werden Wechselkursschwankungen und Änderungen in den Arbeitsgesetzen sein. Auch die Änderungen der Personenbeförderungsvorschriften und der Anstieg der Flottenbetriebskosten.
Jaroslaw Jarosz: In diesem Jahr mussten wir angesichts einer Pandemie aus der Ferne mit Cloud-Diensten, umfangreichen Anwendungen für Kunden zur Beobachtung von Fahrzeugen, verbesserten Fahrzeugidentifikationssystemen und einer detaillierten Überprüfung der Warenroute arbeiten. Daher werden alle Buchhaltungsmodule, die ein Arbeiten aus der Ferne von überall auf der Welt ermöglichen, sehr gefragt sein.
Viele Experten sagen voraus, dass Polen eine sehr starke Position auf dem intermodalen Transportmarkt einnehmen wird. Dieser Trend verkürzt die Lieferzeiten für Waren, da die Grenzkontrollen entfallen. Logistikunternehmen sehen Potenzial, weil es einige Fahrerprobleme löst, wie z. B. krankheitsbedingte Abwesenheit, besonders auf internationalen Strecken. Außerdem ist es umweltfreundlich.
Arthur Stefanski: Intermodaler Transport ist ein Trend, der noch lange nach der Pandemie anhalten wird. Schon heute vervollständigen Lufttransporte den Lieferkettenkalender, um den Erwartungen der Verbraucher gerecht zu werden. See- und Lufttransporte werden langsam von chinesischen Bahnbetreibern ersetzt. Auch in Mittel- und Westeuropa nimmt das Interesse an dieser Transportart spürbar zu. Eine Balkon-Zustellung, derzeit als “Tür-zu-Tür” bekannt, wird bald zur täglichen Routine werden.
Jaroslaw Jarosz: Auch die Elektromobilität von Lkw macht sich immer stärker bemerkbar. Die Hersteller konkurrieren um verbesserte Versionen sowohl von Liefer- als auch von Lkw-Fahrzeugen mit steigender Reichweite. Logistikunternehmen in der Welt und in Polen versorgen ihre Flotten mit neuen Elektrofahrzeugen. Am deutlichsten ist der Trend bei Kurierunternehmen zu spüren.
In Polen steckt dieses Thema noch in den Kinderschuhen, aber es gibt einen Aufwärtstrend. Ein großes Plus ist die signifikante Kraftstoffersparnis, die Emissionsfreiheit und der Respekt vor der Ökologie als Teil der nachhaltigen Entwicklung. Das Hindernis sind immer noch die hohen Anschaffungskosten für diese Art von Fahrzeugen, die geringe Reichweite und die Ladeinfrastruktur, die ausgebaut werden muss.